„Meine Vision: Innovationen für Menschen schaffen“
think tank Gründer Mohamed Chergui im Interview
Wann hast du das erste Mal daran gedacht, eine eigene Firma zu gründen?
Die Idee kam mir während meiner Studienzeit in Deutschland. Damals habe ich mit einem Kommilitonen in einer Nachtaktion alle Programme auf den Computern einer Firma upgedatet, indem wir mit einer CD von Rechner zu Rechner gegangen sind. Das war natürlich gut, um Geld zu verdienen, aber wir haben auch darüber nachgedacht, wie man das besser machen könnte. Dabei kam uns die Idee, die Welt miteinander zu vernetzen, um die Menschen bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Damit war die Richtung, in die ich gehen wollte, klar: neue Technologien und IT. In meiner Diplomarbeit ging es dann darum, wie man Software einmal installieren, deployen und dann unbegrenzt verwenden kann.
Du hattest das Angebot, bei einer Consulting-Firma anzufangen, wolltest aber lieber selbstständig werden. Warum?
Ich wollte von Anfang an meine eigenen Ideen verwirklichen und innovativ arbeiten. Wichtig war mir vor allem auch, die beiden Welten von Tunesien und Deutschland zu kombinieren, um so eine Synergie aus den verschiedenen Mentalitäten zu schaffen. Zunächst haben ich und meine Kollegen in Tunesien angefangen und mit Partnern in Deutschland gearbeitet. Wir wollten uns zunächst Zeit nehmen, die Brücke zu Deutschland zu verstärken und die Strukturen in beiden Ländern anzupassen, um dann das Business mit den Ressourcen in Tunesien zu skalieren. Es hat sich gezeigt, dass es wichtig ist, eine Präsenz in Deutschland als Fenster zu Europa aufzubauen. Die Gründung der think tank Business Solutions AG erfolgte dann im Dezember 2002.
Wie sahen die ersten Jahre aus?
In den ersten Jahren waren wir oft so etwas wie die Feuerwehr. Wir wurden da eingesetzt, wo es gebrannt hat, da wir von Anfang an so aufgestellt waren, schnell reagieren zu können. Zudem haben wir schon immer auf die neuesten Technologien gesetzt. So konnten wir auch Kunden wie Osram und BMW von uns überzeugen und können inzwischen auf eine fast 20-jährige, erfolgreiche Zusammenarbeit zurückschauen. Unsere ersten Projekte waren beispielsweise die Optimierung der Befüllung von Geldautomaten sowie die Reduzierung von Remissionen des Springer-Verlags mit Hilfe von KI innerhalb eines Monats von 1.000.000 auf 150.000 bis 200.000.
Was waren die größten Erfolge der tt hinsichtlich Innovation?
Wir haben für die dpa einen automatischen Nachrichten-Dispatcher entwickelt. Dieser basierte auf den ersten Einsatz einer XML-Datenbank mit Verschlagwortung in Deutschland und ist im Rahmen einer Diplomarbeit entstanden. Auch heute entstehen so viele gute Ideen, da wir in Tunis immer noch drei bis vier Diplomanten jährlich begleiten.
Für Karstadt haben wir den ersten Lebensmittel-Lieferservice online entwickelt. Allerdings waren wir da vor der Zeit und er wurde von den Kunden nicht angenommen. Wichtig für uns war es, dass wir so unsere Expertise für Web-Applikationen ausbauen konnten. Bei Osram haben wir bereits 2002 das erste Digital Asset Management für die Video- und Bildverwaltung implementiert, das wir immer noch betreuen. Im Gesundheitsbereich haben wir daran mitgearbeitet, die Gesundheitskarte zu entwickeln.
Bis heute haben wir außerdem einen großen Erfahrungsschatz im Bereich Banken und Finanzen, angefangen von der Verarbeitung von Online-Transaktionen bis hin zu Risikoanalysen hinsichtlich Geldwäsche. PlanetHome als Full-Service-Anbieter im Bereich Immobilien begleiten wir seit 2011 und entwickeln gemeinsam eine Plattform, auf der sowohl Makler als auch Kaufinteressenten Alles rund um den Haus- oder Wohnungskauf erledigen können.
In der Automotive-Branche sind wir breit aufgestellt, von der Entwicklung eines elektronischen Kalkulationsmodells über die Konzeption und Implementierung eines Tools zur Testung von Autoteilen bis hin zur Mitarbeit bei einer Anwendung zur agilen Prozessplanung.
Du erwähnst hier das Thema agil. Seit einigen Jahren setzt die think tank verstärkt auf Agilität. Was ist für dich Agilität?
Etwas zu entwickeln ist sehr schwierig, da man schnell reagieren muss. Wir haben ziemlich bald erkannt, dass wir uns in kurzen Abständen abstimmen müssen. Dazu haben wir uns wöchentlich interne Lieferungen gesetzt, die in der darauffolgenden Woche durch das Qualitätssicherungs-Team überprüft wurden. D.h. im Grunde haben wir bereits dort agil gearbeitet, ohne es so zu nennen. Der Wandel zu einer agilen Organisation war für mich daher nur der logische Schritt auf dem Weg der Digitalisierung, den wir schon lange beschreiten.
Wie siehst du dich als Chef?
Für mich ist es wichtig, Verbindungen zu haben, mit Menschen zu arbeiten. Grundvoraussetzung dafür ist Vertrauen. Ich vertraue meinem Team und lasse sie Vieles selber entscheiden, denn Teamarbeit ist mir sehr wichtig. Ich mag keine Verbote und setze auf flache Hierarchien. Das schlimmste für mich ist, wenn ich jemanden so beeinflusse, dass er sich ändert. Alle sollen sich so weiterentwickeln können, wie sie es möchten. Bei mir gibt es erst einmal kein „Muss“, man kann über alles reden und diskutieren.
Was siehst du in den Mitarbeitern?
Jeder Mensch ist etwas Besonderes und das Wichtigste für mich ist, dass ich jeden als Person wahrnehme und wertschätze. Ich finde, es ist das Beste, wenn ich die Menschen selber laufen lasse. So kann ich von ihren Erfahrungen und ihrem Wissen lernen. Denn jeder Mensch ist innovativ und kann sich so einbringen. So profitieren alle und es kann ein Wir-Gefühl entstehen. Für mich ist die think tank viel mehr als nur ein Job, meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind für mich wie eine Familie.
Was ist deine persönliche Zukunftsvision?
Ich möchte, dass die think tank sich weiter als Denkfabrik etabliert und einen Beitrag dazu leistet, das Leben der Menschen zu vereinfachen, die Menschen mit den Technologien, die uns zur Verfügung stehen, einander näherbringen.